Ich wohnte im Nordflügel des weiten Hauptgebäudes, im ersten Stock, unter der Dachkammer.
Ort und Menschen habe ich mich vom ersten Tag an verbunden gefühlt, ich brauchte keine Eingewöhnungszeit, und vielleicht am wichtigsten: ich konnte sofort konzentriert schreiben. Und dieser Zustand hielt auch bis zum letzten Tag an.
Aus dem Haus hinaus, den Garten hinunter, auf eine der Bänke, um zu lesen, nachzusinnen, dem Wind in den Kronen der uns umgebenden Bäume lauschen.
Dieses Anwesen allein ist eigentlich schon genug.
Jeden Tag ein neuer Lieblingsblick, ein neuer Lieblingsbaum, eine neue Lieblingsstimmung.
Und dann die Ateliers. Ich habe sie anfangs leer erlebt, noch den ehemals landwirtschaftlichen Nutzhallengeist atmend, später von den dort arbeitenden Stipendiatinnen zu neuem Leben erweckt. Bei Besuchen Einblicke in die jeweiligen künstlerischen Auffassungen erhalten, das Voranschreiten der Kunstwerke erleben, sich kennenlernen.
Oder das Stifterpaar im Arboretum treffen. Eine Verabredung zum Apfelkuchenessen machen.
Nötige Distanz sowie Nähe pendeln sich wie von selbst ein. Ich kann hier wunderbar allein oder in meine eigene Arbeit vertieft sein. Und später tun sich Anlässe für anregende Gespräche auf.
Dieses besondere Zusammenfinden von Kunst, Natur und Menschen auf Hof Scharrlberg schenkt mir Kraft, Freude und Zuversicht.
Prosaauszug
...Seit 1995 seien nun die Flächen vom Landkreis Lüneburg im Rahmen von Vertragsnaturschutz von den Grundeigentümern gepachtet. Wer mögen wohl diese Grundeigentümer sein, die diese 27 Hektar besitzen und sie nun nach der NATO an den Landkreis Lüneburg verpachten? Der Neid zerrt und zieht an mir, wie gern möchte ich dieser Familie entstammen und ohne alle Sorgen um Geld mein Leben führen. Dann denke ich wieder an die Landschaft. Warum mag mir das blühende Heidekraut nicht gefallen? Weil es doch schon halb verblüht ist? Oder erscheint es mir wie ein Teppich, den man über die Narben des Krieges legt? Ist es nicht verlogen, die Spuren des Krieges so schnell und praktisch einfach zuzudecken? Wo gestern noch die Bombenkrater und die Furchen der Panzer waren, erfreut heute die Heideblüte....
...Und 20 Kilometer weiter wurde der nächste Truppenübungsplatz eingerichtet. Wenn man diese Fläche nicht weiter zerstören kann, dann wird sie renaturiert und die Kriegsvorbereitungen ziehen auf das nächste Areal, die Grundeigentümer reiben sich schon die Fäuste. Ich bin nun ganz allein zwischen dem Heidekraut, den Birken und Eichen. Friede erfüllt mich. Kann ich einer Landschaft lauschen? Könnte mir diese Landschaft hier etwas erzählen? Wie mag sie all die vergangenen Jahrzehnte wahrgenommen haben und war diese Zeit mit den Truppen aus Kanada und Großbritannien vielleicht gar nicht so schlecht?...