Charlotte Payet

Residenzbericht – Hof Scharrlberg

Meine einmonatige Residenz am Hof Scharrlberg war eine Zeit intensiver künstlerischer Arbeit, eingebettet in ein inspirierendes Umfeld aus Natur und Gemeinschaft. In einem Dreiergespann weiblicher Energie – getragen von Respekt, Austausch und Unterstützung – konnte ich mich voll auf mein künstlerisches Schaffen einlassen.

Die Natur war dabei nicht nur Kulisse, sondern aktiver Teil des Prozesses: Beeren zum Pflücken, Bienen beim Bestäuben der Blüten zu schauen – und ich selbst, die im Akkord zerschnittene Kunststoffflaschen nietete und verwebte, um sie auf ein Aluminiumgerüst zu einer turmartigen Skulptur zusammenzufügen. Die große Kartoffellagerhalle war ein Geschenk: ein weiter, lichtdurchfluteter Raum, wie ich ihn noch nie für meine Arbeit nutzen konnte. Dieser eröffnete neue Perspektiven auf meine Arbeit und erleichterte viele Schritte.

Auch die Grünanlage des Hofs wurde bei gutem Wetter zum offenen Atelier. Das leichte Material meiner Arbeit erlaubte spontane Ortswechsel im Rhythmus der Sonne – eine Beweglichkeit, die dem Prozess besondere Offenheit verlieh.

Neben der Arbeit entstanden im Austausch mit den beiden anderen Stipendiatinnen intensive Gespräche und gemeinsame Kochsessions mit Gemüse, Obst und einem Kräuterbuffet aus dem Garten. Unterstützt wurden wir dabei von unserer Gastgeberin und unserem Gastgeber, die mit viel Herz, Fürsorge und Offenheit unsere Bedürfnisse erkannten, oft schon bevor wir sie aussprachen. Gleichzeitig schenkten sie uns genau den Freiraum, den es gebraucht hat, um künstlerisch zu arbeiten und sich vollständig auf den eigenen Prozess einzulassen.

Es entstand schnell ein natürlicher Arbeitsrhythmus, in dem wir im Grünen einfach einen Monat sein durften und sich der Hof zu einer kleinen eigenen Welt entwickelte.

Ausflüge mit dem Fahrrad in den Wald, zum See und in die Heide sorgten für frische Eindrücke. Auch der Weg zum Kompost wurde zum Auslöser für eine spontane Installation – der Beginn eines wachsenden Projekts. Dabei konnte ich endlich wieder mit alten Medien wie Keramik, Holz und gesammelten Naturmaterialien arbeiten – es entstand ein neuer sanfter, ortsbezogener Zugang zum Thema Recycling und zur Umwelt.

Der Aufenthalt am Hof war für mich sehr prägend – rückblickend fühlt sich der Monat viel länger an. Die entstandenen Ideen, Eindrücke, Energien und Gespräche werden weit über die Residenz hinaus in meine künstlerische Praxis hineinwirken.

 

Zu meiner Arbeit:

Das traditionelle Handwerk des Webens wird in die zeitgenössische Kunst transportiert. Aus pfandfreien, recycelten Kunststoffflaschen und Aluminium-Skeletten entstehen säulenartige Plastiken, die industrielle Formgebung und Nach-haltigkeit thematisieren. Die charakteristischen Formen ikonischer Plastikflaschen, wie etwa die geschwungene Coca-Cola-Flasche, die damals an Frauenkörper erinnern sollten, stehen dabei im Fokus. Die farbig eingefärbten Flaschen aus dem Industriebereich werden in Streifen geschnitten und unter Spannung zu transparenten, filigranen Webstrukturen verflochten. Die Aluminiumgerüste bilden ein stabiles Gegengewicht zur Leichtigkeit des Kunststoffs. So entstehen begehbare Skulp-turen, die zur Reflexion über Konsum, Umweltbe-wusstsein und die Beziehung zwischen Mensch, Material und Natur anregen.

www.charlotte-payet.com

Fotos Charlotte Payet / Jan Thomas Bandelow