Felix Gaisbauer

Statement

Geschichtete Farben: Gelb (Roggen, Weizen, etc.), rot (Kieferngehölz), grün (Kronen); darüber der Himmel, täglich, fast stündlich sich erneuernd. Die Heideblüte verpassen wir um ein paar Tage. Schreiben, gehen, schreiben, gehen. Wir laufen zu fünft durch den Wald, dann endet er jäh, eine Sandgrube, oder war es Kies? Jedenfalls Lebensgefahr, bitte nicht weitergehen. In Ordnung. Die norddeutsche Freundlichkeit, für den an Berliner oder bayerische Verhältnisse Gewöhnten völlig entwaffnend. Aus so gut wie jedem Fenster sind Baumwipfel zu sehen, ein Maisfeld. Hin und wieder Menschen, die lautlos über das weitläufige Grundstück gleiten. Eine Monotypie hängt von der Wäscheleine, flattert im Wind. Schafe, Hasen, ein Reh auf freier Fläche, Fröschlein springen in Sicherheit, platsch. Kuchenessen. Mineralien sickern aufwärts aus der Quelle, kommen um sie herum zur Ruhe, ein sandblauer Kreis, weiter nach außen treibt es die Eisenverbindungen: rostrot, schwammig. Manchmal der Geruch der Schweinemastbetriebe. Nicht schreiben, aber gehen, immerhin. Minze in vielen Sorten, man probiert sich durch, schaut sich konzentriert an, als man versucht, Unterschiede zu erschmecken. Ein erstaunlich kühler Badeteich, ein letztes zögerliches Sichhinengleitenlassen, dann wuselt es plötzlich auf dem Hof, der letzte Nachmittag bricht an, oder wo ist er hin, wir müssen ja schon los, den Bus erwischen: kommt nur alle zwei Stunden.

Texte definieren sich in erster Linie durch das, was sie uns vorenthalten, denn natürlich kommt sehr viel mehr, als in ihnen steht, darin nicht vor. Sie können so beredt sein, wie sie wollen: Sie sind Orte des Verschwiegenen. Da ist nicht viel zu machen – außer weiterer Text zu produzieren, der von etwas, das untergegangen ist und von dem man will, dass es auftaucht, erzählt. Man hat viel Auswahl. Man denkt vielleicht an Kleines, Alltägliches, Langweiliges, Dinge, die man zuhause vielleicht nicht einmal am Abendbrottisch für mitteilenswert hält. Oft ist das aber mitteilenswerter als das Vordringliche, das finde ich zumindest. Dann gibt es auch vieles, das verlässt Münder, Körper, und langt in Text nicht an. Da wird das Sprechen nicht Sprache. Bei Dialekt etwa ist das so, er bleibt meist ins Mündliche verbannt. Ich schreibe zu und in Dialekt, auch gut: ihn einschmuggeln in die Hochsprache. Einige meiner Texte machen den Versuch. Außerdem arbeite ich eigentlich im wissenschaftlichen Betrieb. Das Verfassen wissenschaftlicher Publikationen ist ein brutaler Prozess: Man stutzt die Arbeiten mit vielen Klingen, kill your darlings, täglich. Wissenschaftliche Texte gibt es selbstredend nicht zu knapp, sie werden in rapide zunehmender Menge publiziert. Eklatant verschwiegen werden aber ihre Erzeuger. Wie sieht Alltag in der Wissenschaft aus, welches Leben führt man im Zentrum der Wissensproduktion, was würden diese Leute gerne erzählen? Schreiben darüber vereinigt obige Leerstellen, handelt von Langweiligem und -wierigem, von Fachjargon und Soziolekt, vielen verschiedenen Zungen. Das Residenzstipendium der Atelier-Stiftung Kunst und Natur ermöglicht es mir, an einem Text zum Tagwerk Wissenschaft weiterzuarbeiten, ohne an ihm teilzunehmen.