Ulrike von der Osten

Statement

Es kommt oft anders, als man denkt. Für den Aufenthalt auf dem Scharrlberghof im Rahmen des Atelier-Stipendiums Stiftung Kunst und Natur hatte ich mir vorgenommen, die globe - Serie, Malerei auf Glas, weiter zu entwickeln. Die großen Arbeitsräume, die das Gelände auf dem Scharrlberghof bietet, führten dazu, dass ich dann aber vorrangig großformatig mit Malerei auf Papier gearbeitet habe- was für eine Gelegenheit, da mein Studio in Offenbach für solche Projekte zu klein ist. Es war herrlich, so viel Freiheit und Raum zur Verfügung gestellt zu bekommen- ganz herzlichen Dank an die Stifter, Frau Dr. Krähe und Herrn Dr. Bandelow für diese wunderbare Möglichkeit!
Nach verschiedenen Stipendien von Bund und Land war dies eine für mich erstmalige Situation, an einem anderen Ort konzentriert an meiner Malerei arbeiten zu können. Solch ein Umgebungswechsel ermöglicht einen frischen Blick, frei von Alltagsroutine und (fast) frei vom Ballast anderer Pflichten.
Meine Erinnerung an Bispingen ist geprägt von der Erfahrung, permanent Distanzen zu überwinden, dies mit großer Lust. Distanzen auf dem Gelände des Scharrlberghofes genauso wie die Distanzen beim Durchwandern der Heide, bei dem jeder Schritt eine Verschiebung der sich zum Horizont nach hinten staffelnden Ebenen bedeutet. Das Räumliche ist spürbar. Meine Bewegungen, die Zeit, die die Distanzen erfordern. Und natürlich das Ambivalente der Umgebung: die Heide als Naturschutzgebiet, in und auf deren Erdschichten sich militärische Spuren ebenso finden wie fossile Funde alter Kulturen. Ein rauer Landstrich, manchmal wüst, immer das Grollen der Panzer im Hintergrund.
All das findet sich in meiner Malerei. Zeitschichten, große Flächen, durchkreuzt von Linien. Zonen gestischer Malerei grenzen an Zonen opaken Farbauftrages. Neben den großflächigen Bahnen entstanden auch kleinere Arbeiten auf Papier. Hier teilweise konstruktiver als die abwechselnd mit geometrischen Setzungen und fluider Malweise entstandenen großen Farbarchitekturen. Ich habe den Verdacht, dass sich auch das Strukturelle des Fachwerkes, das den Bau der Werkstatt bestimmt, in meine Bilder eingeschlichen hat.
Eine große Bereicherung war auch der Austausch mit Maria Schüritz und Florian Wenzel, denen ich mich in meiner intensiven Arbeitsweise sehr verbunden fühle. Es war für mich ein Geschenk, den Prozeß der Bild- und Werkfindung auch bei diesen Beiden aus nächster Nähe verfolgen zu können- wie tröstlich: das Ringen begleitet uns alle.
Köstlich mit Kuchen und humoristisch gewürzten Begegnungen war diese Zeit, ganz herzlichen Dank an die Stifter!

Zu meiner Arbeit:

Der Bildraum ist zentrales Thema meiner Arbeiten:
Er entsteht prozesshaft in einem Wechsel von Konstruktion und Dekonstruktion.
Aufbau und Zerstörung sind zentral, dazwischen ent-steht etwas.
Dabei arbeite ich mit den malerischen Grundelementen der Fläche und der Linie:
durch Überlagerung, Überkreuzung, Kontrastierung oder Aneinanderreihung dieser Elemente entsteht ein dichtes Bildgefüge unterschiedlicher Zeitzonen und Zwischen-räume. Gleich einem Zeitspeicher, dessen Schichten spürbar bleiben.
Am Ende des Malprozesses entstehen Farb-architekturen, in denen Zonen der Transparenz mit opaken Flächen kontrastieren und deren Organisation Brüche aufweist.
Was mich dabei interessiert, ist das Wechselspiel von Dreidimensionalität und Fläche.

Ganz besonders konnte ich dieses Wechselspiel anläßlich der Abschlußpräsentation in der kubus-ähnlichen Halle der Tabaktrocknungsanlage austesten: die flachen Bahnen
(mit der teilweise räumlich wirkenden Malerei) ver-orteten sich an den Wänden aber auch in der Raummitte, so dass sich Überschneidungen der verschiedenen Blickwinkel ergaben. Dadurch entstand eine Dynamisierung des Raumes.